Ist Sex vor der Ehe eine Sünde? Und was sagt die Bibel dazu?
- Julia Neuenhagen
- 13. Feb. 2024
- 3 Min. Lesezeit

1.Das Problem der Frage: Darf ich Sex vor der Ehe haben?
Wenn es in fundamentalistisch-evangelikalen Gemeinden eine Frage gibt, die immer wieder diskutiert wird und zu sehr viel Leid, Scham, Angst und eingeredeten und eingepredigten Schuldgefühlen und wiederkehrenden Vergebungsgebeten führt, dann ist es die Frage: “Darf ich Sex vor der Ehe haben?”
Für viele Menschen in derartigen Gemeinden ist die Antwort total klar: “Nein, Sex vor der Ehe ist Sünde. Sex gehört in die Ehe.”
Begründet wird das ganze dann mit aus dem Kontext gerissenen Bibelversen.
Doch sagt die Bibel eigentlich wirklich etwas über das Thema “Sex vor der Ehe” oder werden in die Bibel und vor allem ins Neue Testament Dinge hineininterpretiert, die dort gar nicht stehen?
2. Was sagt die Bibel zu Sex vor der Ehe?
Bei genauerer Betrachtung fällt folgendes auf:
Im deutschen Sprachgebrauch existiert nur das Wort “Liebe” für alle Spielarten der Liebe. Das heißt, man kann im Deutschen nicht erkennen, ob es sich um eine erotische, freundschaftliche, geschwisterliche, elterliche oder kindliche Liebe handelt.
In der griechischen Sprache - auf der das Neue Testament ursprünglich verfasst wurde - gibt es im Gegensatz zum Deutschen fünf unterschiedliche Wörter für das Wort “Liebe”: Agape, Philadelphia, Philia, Storge und Eros.
Agape heißt übersetzt “dienende Nächstenliebe” und wird im Neuen Testament an den allermeisten Textstellen verwendet.
Agape hat jedoch nichts mit Erotik zu tun. Von Agape leitet sich der diakonische Auftrag der Kirche und vieler freikirchlichen Gemeinden ab, was positiv ist. Doch leider wird die Nächstenliebe manchmal missbraucht, um zu verdeutlichen, dass die eigenen Bedürfnisse und Wünsche nicht wichtig sind, sondern der andere immer an erster Stelle steht, was vor allem für die psychische Gesundheit schlecht ist und nicht selten bis in den Burnout führen kann.
Nur sehr wenige Belege finden sich im Neuen Testament für Philadelphia (die innergemeindliche Bruderliebe), für Philia (die Freundesliebe) und Storge (die Zuneigung innerhalb der Familie und Bekanntschaft).
Das Wort Eros, die sexuell-leidenschaftliche Liebe, kommt im Neuen Testament an keiner Stelle vor.
Wenn das Wort Erotik/Sex überhaupt nicht im Neuen Testament vorkommt, wie kann es da sein, dass viele evangelikale Gemeinden eine streng konservative Sexualmoral aus der Bibel ableiten?
3. Sex vor der Ehe ist keine Sünde!
Das Neue Testament hat zu diesem Thema absolut nichts zu sagen!!!
Deswegen ist Sex vor der Ehe keine Sünde! Und die Bibel eignet sich nicht als sexueller Ratgeber.
Es gibt zwar Textstellen, in denen es um die Ehe und die Rolle der Frau geht, diese müssen jedoch mit ihrem historischen Kontext gelesen werden und dürfen nicht dazu missbraucht werden, irgendeine verschwurbelte Sexualmoral zu legitimieren.
Eine Art 11. Gebot “Du sollst keinen Sex vor der Ehe haben”, gibt es einfach nicht.
4. Sexualität als Machtmittel
Menschen, die willkürliche Regeln darüber aufstellen, wie andere Menschen ihre Sexualität zu leben haben, üben Macht über diese Menschen aus. Deswegen ist es ein Verbrechen an jungen Menschen, ihnen einzutrichtern, Sex vor der Ehe sei Sünde.
Wenn sich ein Paar freiwillig entscheidet mit dem Sex bis zur Ehe zu warten, dann ist das eine persönliche Entscheidung.
Wenn das Paar aber nur wartet, weil es Druck von Gemeindevorständen, Prediger*innen oder der Familie bekommt und mit aus dem Kontext gerissenen Bibelversen unter Stress gesetzt wird, dann wird die Entscheidung auf Basis von Angst, Scham und Schuldgefühlen getroffen und das ist keine gute Basis für eine Ehe.
Deswegen schaut, was für euch als Paar das Beste ist und lasst euch nicht durch eine körperfeindliche Sexualmoral verunsichern, für die es in der Bibel keinen Anhaltspunkt gibt.
Denn Gott führt garantiert kein Beischlaf-Tagebuch!
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